Golf - Kraft?
Der Begriff von Kraft im Golfsport scheint immer noch die Meinungen der Amateure zu spalten. Die einen beschreiben die Bewegung des Schlägers zum Ball als ruhigen Schwung und andere wiederum als einen kraftvollen Einschlag, dem eine hohe Beschleunigung des Schlägers vorausgegangen ist.
Nun wollen wir mal die unterschiedlichen Begriffe erklären und dem Schlag gegen den Ball richtig zuordnen.
Was ist Kraft genau? In der Physik wird „Kraft“ nach dem 2. NEWTONschen Gesetz zunächst als Masse mal Beschleunigung (F= mxa) definiert. Diese Formel gibt vorerst keine inhaltliche Auskunft, sondern erst die Klärung einer Reihe von Beziehungen zu anderen Begriffen führt zum Verständnis von Kraft.
Da wäre zunächst die Beziehung von Kraft und Bewegung welches im Golfschwung die Ortsveränderung des Schlägers charakterisiert. Nun ist der Begriff von einer „Ortsveränderung“ im Golfsport etwas unüblich und klingt durch die Begriffe „Geschwindigkeit“ und „Beschleunigung“ geläufiger.
Die Geschwindigkeit beschreibt die Ortsveränderung pro Zeiteinheit (m/s oder km/h). Wenn z.B. ein Golfspieler die Hände mit einer Geschwindigkeit von 20 km/h vom Ausholende (EoB) nach unten zum Ball bewegt, so bedeutet das eine Ortsveränderung der Hände von 20 km in einer Stunde oder 5,6m in der Sekunde. Also wie schnell die Ortsveränderung der Hände stattfindet beschreibt ihren Bewegungszustand!
Die Beschleunigung der Hände hingegen beschreibt die Veränderung des Bewegungszustandes zum Ball (Geschwindigkeit) pro Zeiteinheit (m/s2). Das bedeutet beträgt die Beschleunigung der Hände des Golfspielers 5m/s2 so erhöht sich die Geschwindigkeit der Hände um 5m/s in einer Sekunde (z.B. von 5m/s auf 10m/s usw.).
Da wir uns in der Biomechanik an der Physik orientieren wird dort der Zusammenhang von Kraft und Beschleunigung spezifiziert. Dementsprechend wird der Kraftbegriff vorläufig folgendermaßen umschrieben:
„Das Geschehen, welches den Bewegungszustand bzw. die Geschwindigkeit eines Körpers wie z.B. eines Golfschlägers verändert, wird Kraft genannt. Damit ist Kraft als Ursache von Beschleunigung bestimmt.“
(G.Kassat, biomechanik für nicht biomechaniker, 1993 Rödinghausen)
Wir stellen also fest, dass sich der Bewegungszustand eines Golfschlägers nur ändert, wenn es für dieses Phänomen eine Ursache gibt.
Diese Ursache nennt sich „KRAFT“!
Was ist eigentlich Ballgefühl?
Last uns mal ein Erklärungsversuch starten. Betrachten wir mal "Ballgefühl" am Beispiel des Golfspiels. Präzise gesagt, was passiert zum Zeitpunkt wenn der Schläger auf den Ball trifft. Als erstes muss man wissen, das der Ballkontakt ca. eine fünftausenstel Sekunde dauert. Die Strecke die der Schläger mit dem Ball verbunden ist beträgt ca. 2,4 cm.
Wenn der Schläger auf den Ball trifft dann entsteht ein Kraftstoß (Impuls) auf den Ball. Da der Ball ruht und ca. 46 Gramm wiegt wirkt wiederum die Kraft des Balles auf den Schläger zurück. Der Impuls verläuft in einer bestimmten Stärke über den Schaft auf die Hände und geht weiter über die Nervenbahnen in das Zentrale Nervensystem (Gehirn). Die aus der Peripherie in das Zentralnervensystem eintretenden und in dieser Richtung dem ZNS Signale von Rezeptoren bzw. aus Sinnesorganen zuleitenden Nervenfasern wird auch Afferenzen genannt. Zu den allgemeinen somatischen Afferenzen (ASA) werden alle Bahnen der haptischen Wahrnehmung (Berührungsempfindung, Temperaturwahrnehmung, Schmerzwahrnehmung, Propriozeption), zu den speziellen somatischen Afferenzen (SSA) die Bahnen des Gesichts-, Gehör- und Gleichgewichtsinns gezählt.
Jetzt verbindet das Gehirn die Stärke des Impulses mit dem Ergebnis der Ballfluglänge (Koheränz). Wäre die Aufgabe, den Ball mit dem gleichen Schläger auf eine geringere Entfernung zu Schlagen müsste die Beschleunigung des Schlägers zum Ball verringert werden um den Kraftstoß zu reduzieren. Die rückwirkende Kraft des Balles gibt einen schwächeren Impuls an das Gehirn und wird dann wieder mit dem Ergebnis der Ballfluglänge verbunden. Dieser Vorgang setzt sich fort mit immer mehr differenzierten Kraftstößen. Das heißt:
"Ballgefühl ist die sensible Wahrnehmung der rückwirkenden Kraftimpulse und die damit verbundene Fähigkeit der differenzierten Abrufbarkeit"!
Das Team von Vanden Berge Golf & Science besteht aus ausgebildeten Sportwissenschaftlern und hochqualifizierten Golftrainern, die sich wissenschaftlich mit der Weiterentwicklung unterschiedlicher Themenbereiche befassen.
In diesem Bereich werden wir unsere Studien und Untersuchungen aus der Bewegungs- und Neurowissenschaft veröffentlichen! Was sagen die aktuellen Studien über Angst? Wie arbeiten die unterschiedlichen Systeme in unserem Gehirn und wie setzt sich das in Bewegung um? Warum und wie lernt mein Gehirn im Alter von 50 Jahren das Golfspiel genauso wie das Gehirn eines jugendlichen? Wie korrelieren die Leistungsparameter im Golfen mit physischen und emotionalen Prädiktoren?
Hierarchische Kontrolle von Bewegungen.
Wenn der Golfspieler plant, den Ball zum Ziel zu schlagen, aktiviert er die drei hierarchischen Ebenen der Bewegungskontrolle.
Das zentrale motorische System ist hierarchisch organisiert, wobei das Vorderhirn die obere und das Rückenmark die untere Kontrollebene bildet. Es ist sinnvoll sich diese Hierarchie der Bewegungskontrolle in Form von drei Ebenen vorzustellen.
Obere Ebene
Die Assoziationsfelder von Neocortex und Basalganglien des Vorderhirns bilden die obere Ebene die für die Strategie zuständig ist: das Bewegungsziel und die Bewegungsstrategie, die am besten geignet ist um dieses Ziel zu erreichen.
Mittlere Ebene
Der Motorcortex und das Kleinhirn bilden die mittlere Ebene, die für die Taktik zuständig ist: der räumlich-zeitliche Ablauf der Muskelkontraktionen muss so organisiert sein, dass das strategische Ziel reibungslos und präzise erreicht wird.
Untere Ebene
Hirnstamm und Rückenmark bilden die untere Ebene, die für die Ausführung der Bewegung zuständig ist: Die Aktivierung der Motoneuron- und Interneuronpools führen eine Zielgerichtete Bewegung herbei und korrigieren gegebenenfalls die Körperhaltung.
Wie diese drei hierarchisch organisierten Ebenen jeweils zur Bewegung beitragen, lässt sich anhand eines Golfspielers veranschaulichen, der sich darauf vorbereitet, den Ball zu schlagen.
Der Neocortex verfügt aufgrund von Sehen, Hören, somatische Empfindungen und Propriozeption über Information zur Lage des Körpers im Raum. Um den Körper so zu bewegen, dass der Ball erfolgreich geschlagen und das gewünschte Ziel erreicht müssen Strategien erörtert werden. Dem Spieler stehen verschiedene Schlagoptionen zur Verfügung (beispielsweise ein hoher Draw oder ein gerader flacher Ballflug, ect.), und diese Optionen werden durch die Basalganglien gefiltert und zurück zum Cortex geleitet, bis der Spieler eine entgültige Entscheidung fällt, welche vor allem auf früheren Erfahrungen beruht (z.B. "Beim letzten mal habe ich in ähnlicher Situation und fast gleichen Bedingungen den Ball direkt zur Fahne gespielt aber der Ball konnte auf der kleinen Grün- Fläche nicht bremsen, sodass er in den Bunker gerollt ist"). Die motorischen Areale von Cortex und Kleinhirn treffen dann eine taktische Entscheidung (z.B. auf eine größere Fläche des Grüns zu spielen wodurch die Gefahr des Bunkers deutlich reduziert ist) und leiten die entsprechenden Befehle an den Hirnstamm und Rückenmark weiter. Die Aktivierung von Neuronen im Hirnstamm führt schließlich zur Ausführung der Bewegung. Die zeitlich aufeinander abgestimmte Aktivierung von Motoneuronen im Halsrückenmark löst eine koordinierte Bewegung von Schulter, Ellenbogen, Handgelenk und Fingern aus. Gleichzeitig werden Impulse aus dem Hirnstamm an das Thorakal- und Lumbalmark weitergeleitet, welche für die notwendigen Anpassungen der Körperhaltung sorgen, damit der Spieler bei der Ausführung des Schlages nicht hinfällt. (M.F.Bear, B.W.Connors, M.A.Paradiso 2008, 502)
Damit die einzelnen Kontrollebenen richtig funktionieren, sind sensorische Informationen unentbehrlich. Daher könnte man das motorische Sytem des Gehirns auch als sensomotorisches System bezeichnen.
Auf der oberen Ebene erzeugen sensorische Informationen ein mentales Bild vom Körper und von seinem Verhältnis zur Umgebung.
Auf der mittleren Ebene werden taktische Entscheidungen getroffen. Diese beruhen auf sensorische Informationen, die im Gedächtnis gespeichert sind und von früheren Bewegungen her stammen.
Auf der unteren Ebene sorgt das sensorische Feedback dafür, dass Körperhaltung, Muskellänge und Muskelspannung nach jeder willkürlichen Bewegung aufrechterhalten werden. (vgl. M.F.Bear, B.W.Connors, M.A.Paradiso 2008, 502)
Mehr kommt in den nächsten Tagen....
Jörg Vanden Berge
1988 Golflehrer Assistenten Prüfung
1989-1995 Playing Professional
1995-1999 Head Pro und Gründung der ersten Vanden Berge Golfschule im GC Lärchenhof/Pulheim
2000-2006 Gründung der Vanden Berge Golf Academy in München auf den Anlagen GC Wolfrathshausen, GC Aschheim, GC Ebersberg, Sportschule Oberhaching und Golfcenter East
2006-2009 Produktion der ersten deutschsprachigen Teaching Sendung auf Premiere (heute Sky) „Vanden Berge-Time for Golf“ mit ca. 110 Folgen
2008 Eröffnung des ersten Trainingslabors, das „Vanden Berge Golf Performance Center“
2010 Eröffnung des Trainingsstützpunktes GC Schloss Elkofen
2013 Abschluss zum „Fully Qualified PGA Golfprofessional“
2014 Höchste Golflehrer Graduierungsstufe "G1"
2017 Sportwissenschaftlicher Abschluss zum "Master of Science, Research and Instruction for Golf" in der Sporthochschule Köln
2019 Doktorand der Technischen Universität München (TUM) Lehrstuhl für
Trainingswissenschaft und Sportinformatik im Fachbereich Biomechanik im Golf
2019 Wissenschaftlicher Leiter des GolfLabs der Technischen Universität München (TUM)
Fakultät für Sport und Gesundheitswissenschaft
Lehrstuhl für Trainingswissenschaft und Sportinformatik
Autorentätigkeit
1997-2001 4-teilige Buchreihe „The practice Book“ übersetzt in 22 Sprachen
2006+2007 Fachartikel in der Golftime
2008-2010 Fachartikel in der Golfpunk
2014+2015 Fachartikel in der Green
Sonstiges
2007+2008 Officielle Golf Academy der HypoVereinsbank Ladies German Open
2008+2009 Officielle Golf Academy der BMW Open München/Eichenried
Spielerreferenzen (Professionals)
Anna Laranetta/Spanien European Ladies Tour
Anna Belen-Sanchez/Spanien European Ladies Tour
Alexandra Aramas/Spanien European Ladies Tour
Beatrice Recari/Spanien European Ladies Tour
Emma Cabrera-Bello/Spanien European Ladies Tour
Peter Hedblom/Schweden European Tour
David Frost/Südafrika European Tour/US Tour/Champions Tour
Rafael Cabrera-Bello/Spanien European Tour
Jessica Lindlau Nationalkader
Benedikt Lacher Bayrischer Meister 2011